Klassisch oder operant?

Hallo Birte,

 

erst einmal danke für die Blumen und noch mehr Dankes, dass Du so aufmerksam und gründlich gelesen hast. Und noch etwas: Kritik ist und hat immer etwas Gutes! Und jeder der eine andere Meinung oder ein anderes Verständnis hat, der sollte das auch sagen. Jawohl!

Eins vorweg: Das kann man durchaus so sehen, wie Du es beschreibst. Denn klassische und instrumentelle (operante) Konditionierung liegen meist recht nah beieinander und vermischen sich auch ganz oft. Und oft genug kann man das so oder so sehen. In meinem Beispiel von der Klappernden Dose ist das auch so.

Das Klappern der Dose bewirkt beim Hund schon Speichelfluss und ist somit erst einmal nichts anderes als ein klassisch konditionierter Sekundärreiz. Genauso wie es vor langer, langer Zeit die Glocke des Herrn Pawlow für seine Hunde war, weil darauf hundertprozentig das Futter folgte. Und genauso geht das übrigens auch mit einem Clicker.

Was der Hund dann auf das Klappern hin macht, ist erst einmal völlig egal. Schließlich hat Pawlow da auch nicht drauf geachtet. Für ihn war einzig und allein der Speichelfluss maßgebend. Vielleicht ist einer seiner Hunde ja schon auf das Signal der Glocke zum Gitter gelaufen. Ein anderer hat sich vielleicht vor Aufregung im Kreis gedreht. Und noch ein anderer hat sich, immer wenn er die Glocke hörte, brav hingesetzt.

Das Klappern der Dose ist somit erst einmal und für sich genommen, eine klassische Konditionierung, bei der, wie in meinem Beispiel auf Seite 41, im Gehirn des Hundes sozusagen ein Keks abgebildet wird.

Instrumentell würde sie erst dann, wenn der, der mit der Dose raschelt, damit etwas bewirken, also ein Verhalten erzeugen wollte. Gerade das passiert in meinem Beispiel aber nicht. Denn erstens wird das Signal überhaupt nicht absichtlich gegeben und zweitens wird bei diesem „Leckerchen für süß sein“ auch kein bestimmtes Verhalten verlangt. Der Hund bekommt es, egal ob er zur Küche läuft oder nicht, egal ob er sitzt, steht oder liegt.

Wohl aber könnte der Hund darauf kommen, dass Anzahl, Größe oder Schnelligkeit der Belohnung von seinem Verhalten abhängt. Würde er z.B. nichts bekommen, wenn er nicht in die Küche läuft, dann wären wir bei der instrumentellen Konditionierung. Das Klappern bedeutet in diesem Fall „Komm in die Küche“ und der Hund lernt, dass er nur dann etwas bekommt, wenn er sich fix dorthin begibt. Oder er hat, vielleicht ganz zufällig, immer dann einen besonders leckeren oder großen Keks bekommen, je schneller er in der Küche ankam und sich dorthin gesetzt hat. Auch dann handelt es sich schon um eine operante Konditionierung, weil der Hund auf verschiedene Verhaltensweisen abgestufte Belohnungen erhält. Dass dies auch rein zufällig sein kann, spielt dabei keine Rolle, solange der Hund meint ein Muster erkennen zu können.

Dieser Umstand sorgt übrigens öfter, als Ihr alle denkt dafür, dass sich in euren Trainings und im Alltag immer wieder Verhalten festigen, die Ihr eigentlich gar nicht haben wolltet. Denkt deshalb immer daran, dass letztendlich einzig und allein euer kleiner Racker entscheidet welches Verhalten er mit eurer Belohnung oder gar eurer Strafe verknüpft. Und seid auf der Hut, wenn Ihr meint gerade ausschließlich operant zu konditionieren! Der alte Pawlow sitzt euch bei jedem Training im Nacken und schaut ständig über eure Schulter!

Da fällt mir auch gleich ein Beispiel ein, dass alle die schon einmal an einem ordentlichen Apport gearbeitet haben, kennen müssten. Der Friedel wollte seinem Baas so einen Apport mittels der guten alten instrumentellen Konditionierung beibringen.

Wie man das so macht hat der Friedel dem Baas das schon im Welpenalter in klitzekleinen Schritten beigebracht. Erst hat er das Festhalten und Tragen von Gegenständen durch ständige Belohnung mit Leckerchen und tolles Anfeuern belohnt. Dann das Aus mittels Tauschen aufkonditioniert und nach und nach auch am schnellen und zielgerichteten Bringen gearbeitet. Als Baas dann auch noch das Bleiben gelernt hatte, konnte der Friedel auch damit beginnen, dass sein kleiner Liebling geduldig wartete, während das Dummy ausgelegt wurde und mittlerweile konnte man das, was der knapp sieben Monate alte Baas da veranstaltete einen recht ordentlichen Apport nennen.

Bis auf dieses unerwünschte Schütteln und zerkauen der „Beute“. Friedel konnte gar nicht recht sagen, seit wann der Baas das machte, aber es ging ihm tierisch auf den Wecker. Noch schlimmer war aber, dass er sich keinen Rat wusste, wie er dem Baas das Schütteln und Zerkauen des Dummys wieder abgewöhnen konnte. Er versuchte es mit Fußarbeit: Immer wenn Baas das Dummy ohne kauen trug, tauschte er es sofort gegen ein Leckerchen. Kaute er aber darauf herum, nahm er es ihm wortlos ab und fing von vorn an. Gut, das hätte er ein wenig anders machen sollen, aber das wäre nun auch nicht die beste Lösung des Problems gewesen.

Um auf die Lösung zu kommen, müsste Friedel nämlich tatsächlich erst einmal wissen, was den Baas gezwungen hat, auf dem Dummy herum zu kauen. Gezwungen? Ja genau, gezwungen! Und jetzt müssen alle Freude der positiven Verstärkung aber sowas von stark sein!

Der Friedel wollte instrumentell den Apport konditionieren. Hat ja auch soweit geklappt. Bis auf den kleinen Fehler, dass er den Herrn Pawlow vergessen hat! Der hat nämlich mit seiner klassischen Konditionierung dafür gesorgt, dass die anschließenden Futterbelohnungen für die vielen, tollen Apporte, im Gehirn vom Baas eine Glocke läuten ließen. Und zwar eine verdammt große Glocke, das könnt Ihr mir glauben.

Das Dummy, der Ball und alle anderen Apportels wurden mittels der klassischen Konditionierung zu? … Na, klar – Futter! Baas hatte gelernt, dass er für das schnelle und korrekte Bringen Futter erhält. Und darüber freute er sich schon den ganzen Weg so sehr, dass er schon mal damit anfing, das Futter zu Verdauen, indem er auf dem Apportel herum kaute. Und das tat er nicht willentlich, sondern aufgrund von neurochemischen Reaktionen, die für ihn überhaupt nicht zu beeinflussen waren.

Friedel versuchte dann das einzig einleuchtende und baute die Futterbelohnung nach dem Apport ab. Und, siehe da – das Verhalten wurde noch viel schlimmer, als vorher! Baas kaute und schüttelte, was das Zeug hielt! Und er brachte das Apportel immer zögerlicher. Was war den jetzt schon wieder passiert?

Uuups. Das war jetzt richtig übel. Baas hatte leider noch etwas falsch „verstanden“. Das Kauen war, wie gesagt, eine neurochemisch bedingte Reaktion auf die folgende Belohnung. Und als diese ausblieb, verstärkte er das Verhalten, dass seiner (und nicht Friedels!) Meinung zu der Belohnung führte: Kauen und schütteln! Blöd oder?

Ja, das ist es. Vor allen Dingen deshalb, weil das Kauen und Schütteln auch noch selbstbelohnend auf Baas wirkte. Tja, dumm gelaufen …

Nein, nein. Keine Sorge. Der Baas ist mittlerweile 6 Jahre alt und apportiert wie ein Weltmeister. Wie der Friedel das hingekriegt hat? Na, da solltet Ihr jetzt mal gründlich drüber nachdenken …

 

Viel Spaß dabei

 

Bertie und sein Meiner

 

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